Wird es lauter, oder leiser? Haltung zwischen den Jahren
Termine verlieren an Dringlichkeit, Routinen lösen sich auf. Entsteht ein Raum zum Innehalten oder ein Raum, der schnell gefüllt wird?
So oder so: Die Zeit zwischen den Jahren hat eine besondere Qualität. Routinen verlieren an Kraft, äußere Anforderungen werden leiser, und im Inneren verschiebt sich etwas.
Genau darin liegt eine Chance. Eine Chance, einer Frage nachzugehen, die im Alltag kaum Raum hat: Welche Haltung lebe ich eigentlich?
Was bedeutet „Haltung“?
Haltung ist mehr als eine Meinung. Mehr als ein Wert. Und deutlich mehr als ein Persönlichkeitsmerkmal.
Haltung beschreibt, wie du die Welt wahrnimmst, wie du Sinn konstruierst und wie du darauf reagierst – innerlich wie äußerlich. Sie wirkt wie ein inneres Betriebssystem: meist unsichtbar, aber hochwirksam.
Deine Haltung beeinflusst zum Beispiel:
was dich triggert – und was dich gelassen lässt
wie du mit Unsicherheit, Konflikten oder Ambiguität umgehst
ob du Kontrolle suchst oder Vertrauen zulassen kannst
wie du Verantwortung verstehst: als Last oder als Gestaltungsraum
Wichtig dabei:
Haltung ist nichts Fixes. Sie ist entwickelbar.
Wir haben nicht eine Haltung, sondern bewegen uns je nach Kontext zwischen unterschiedlichen Haltungen.
Warum Haltung sich nicht „entscheiden“ lässt
Viele versuchen, ihre Haltung über Vorsätze zu verändern:
„Nächstes Jahr bin ich gelassener.“
„Ich will offener werden.“
„Ich sollte weniger bewerten.“
Das Problem: Haltung lässt sich nicht direkt steuern. Sie zeigt sich indirekt – in deinen Reaktionen, deinen inneren Dialogen, deinen Automatismen.
Deshalb beginnt Haltungsarbeit nicht mit Veränderung, sondern mit Beobachtung.
Haltung erkunden: weniger tun, mehr wahrnehmen
Zwischen den Feiertagen geht es nicht darum, Antworten zu finden. Sondern darum, gute Fragen zu stellen und ihnen Zeit zu geben.
Hier ein paar sanfte Zugänge zur Erkundung deiner Haltung:
1. Beobachte deine inneren Kommentare
Achte in ruhigen Momenten darauf, wie du über Situationen sprichst – innerlich:
Sprichst du in Urteilen oder in Möglichkeiten?
Eher in „richtig/falsch“ oder in „sowohl als auch“?
Eher problem- oder sinnorientiert?
Nicht bewerten. Nur wahrnehmen.
2. Nimm deine emotionalen Reflexe ernst
Emotionen sind keine Störung – sie sind Hinweise auf Haltung.
Frage dich:
Was bringt mich schnell aus der Ruhe?
Wo reagiere ich überproportional stark?
Wo ziehe ich mich innerlich zurück?
Oft zeigen sich hier unbewusste Annahmen über Kontrolle, Sicherheit oder Zugehörigkeit.
3. Erkenne wiederkehrende Muster
Haltung zeigt sich in Wiederholungen:
In ähnlichen Konflikten.
In vertrauten Erfolgsgeschichten.
In typischen Selbstzweifeln.
Was wiederholt sich in deinem Leben – beruflich oder privat?
Und was sagt das über dein Weltbild?
Themen für deine persönliche Jahresend-Reflexion
Wenn du dir zwischen den Feiertagen bewusst Zeit nehmen möchtest, könnten diese Themenfelder ein guter Startpunkt sein:
Beziehung zu dir selbst
Wo bin ich streng mit mir – und warum?
Wo erlaube ich mir Entwicklung, wo erwarte ich Perfektion?
Was habe ich dieses Jahr über mich gelernt?
Beziehung zu anderen
Wie gehe ich mit Unterschiedlichkeit um?
Wo suche ich Harmonie, wo Konfrontation?
Wann höre ich wirklich zu – und wann nur, um zu antworten?
Umgang mit Unsicherheit
Wie reagiere ich, wenn Dinge unklar sind?
Suche ich schnelle Lösungen oder halte ich Spannung aus?
Vertraue ich mehr auf Planung oder auf Lernen unterwegs?
Sinn & Wirksamkeit
Wo hatte mein Handeln für mich Bedeutung?
Wo habe ich nur „funktioniert“?
Was möchte durch mich mehr Raum bekommen?
Haltung entwickeln heißt: sich selbst begegnen
Haltungsarbeit ist keine Optimierungsübung. Sie ist eine Begegnung mit dir selbst. jenseits von Rollen, Erwartungen und Leistungslogiken.
Die Zeit zwischen den Jahren lädt genau dazu ein:
langsamer zu werden
genauer hinzuschauen
weniger zu wollen, mehr zu verstehen
Vielleicht ist das wertvollste Ergebnis dieser Reflexion keine Erkenntnis, sondern eine neue Qualität von Präsenz.
Genau dort beginnt Entwicklung:
Nicht mit dem Wunsch, anders zu sein –
sondern mit der Bereitschaft, sich ehrlich zu sehen.
Impulse zum Mitnehmen
Nimm dir ein Notizbuch, einen Spaziergang oder einen stillen Moment am Morgen. Wähle eine Frage aus diesem Text – und bleib bei ihr. Nicht um sie zu lösen. Sondern um ihr zuzuhören.
Ich wünsche dir eine ruhige, klärende Zeit zwischen den Jahren.



